Wer konsequent Leistung erbringen und in Turnieren unter Druck erfolgreich sein möchte, muss sich unweigerlich mit seiner mentalen Einstellung auseinandersetzen.
Mentaltraining (MT) hat dabei einen signifikanten Einfluss auf das Gehirn. Es nutzt die Neuroplastizität des Gehirns, also seine Fähigkeit, sich an neue Einflüsse anzupassen und neu zu strukturieren. Durch gezielte Übungen können so verschiedene Kompetenzen erweitert werden, indem das Gehirn vor neue Aufgaben gestellt und angeregt wird, sich auf neue Denkmuster einzulassen.
Zudem können Entspannungsübungen für das Gehirn helfen, klarer zu denken und die Gehirnleistung durch Fokussierung zu verbessern, was eine Erleichterung sportlicher Aufgaben zur Folge haben kann.
Mentaltraining kann also zu einer deutlichen Leistungssteigerung führen, Ziele leichter erreichen helfen und die Selbstwirksamkeit auf geistiger, emotionaler und körperlicher Ebene stärken.
Der Methodeneinsatz in meinem Training orientiert sich an dem Modell der Interventionsebenen in Anlehnung an die „Logischen Ebenen“ nach Robert Dilts.
Herkunft und Abgrenzung
Mentaltraining bezeichnete ursprünglich eine Trainingsmethode zur Optimierung sportlicher Bewegungsabläufe in der Sportpsychologie. (Eberspächer, 1995)
Später wurde der Begriff „mentales Training“ nicht nur für diese spezifische Trainingsmethode verwendet, sondern auch für andere psychologische Techniken, wie das Training der Aufmerksamkeits-regulierung, Prognosetraining, Selbstgesprächsregulierung und weitere Methoden, die im Sporttraining zum Einsatz kommen. In der Sportpsychologie passte man vor allem verhaltenstherapeutische Methoden an die Anforderungen des Sports an.
Das Modell der logischen Ebenen wurde von Robert Dilts in den 1980er Jahren in Anlehnung an die Lerntheorie von Gregory Bateson entwickelt. Im Verständnis von Bateson sind Lernerfahrungen immer vom Kontext abhängig und können als hierarchischer Lernprozess dargestellt werden.
Dilts logische Ebenen haben nach seiner ersten Veröffentlichung mehrere Anpassungen erfahren und sind heute ein hilfreicher Erklärungsansatz für die positive Gestaltung von Veränderungen auch in der klinischen Verhaltenstherapie.
Dreistufiges Konzept zur Kompetenzentwicklung
Im Laufe meiner langjährigen Trainerpraxis im Kampf- und Bogensport habe ich ein unterstützendes Konzept zur Ausbildung und Stärkung von
- Selbstbewusstsein,
- Selbstvertrauen und
- Selbstwirksamkeit
entwickelt, welches drei Stufen umfasst.
Innerhalb dieser drei Stufen setze ich, je nach den individuellen Bedürfnissen der Teilnehmer, unterschiedliche Methoden ein.
Stufe 1: Ziele klären
Die erste Stufe besteht darin, die Ziele und die Motivation zu klären. Dabei arbeiten wir das Selbstverständnis des Schützen in Bezug auf den Sport und die Ziele heraus und schauen, wie die persönlichen Werte dazu passen.
Erfahrungsgemäß ist es nicht ganz so einfach, diese Selbstreflektion durchzuführen und die drei Ebenen des Interventionsmodells für sich klar zu beschreiben. Dies ist jedoch die Basis für einen erfolgreichen Weg. Wo stehe ich heute und wo will ich hin?
Die Frage an dieser Stelle ist, wie tief muss ich bei dieser Analyse gehen, um die Ziele und die Motivation zu hinterfragen? Die Grenze ist dort erreicht, wo wir in die Therapie einsteigen müssten. Das ist ganz klar außerhalb des Mentaltrainings. Selbstbewusstsein schärfen, Selbstwirksamkeit erfahren und Selbstvertrauen im Sport aufbauen ist der Rahmen, in dem wir uns hier bewegen.
Stufe 2: Entscheidung treffen
Als Julius Cäsar 49 v. Chr. kurz davor stand, den kleinen Fluss Rubikon zu überqueren, um mit seinen Truppen nach Rom zu marschieren und die Macht an sich zu reißen, traf er eine unwiderrufliche Entscheidung, die ihn auf einen bestimmten Weg festgelegt hat. Dabei soll er den berühmten Ausspruch getan haben: „Alea iacta est!“
In der Psychologie wird „Rubikon“ als Bezeichnung für Modelle genutzt, die die Phasen Motivation, Entscheidung und Volition zur Erreichung von Zielen beschreiben.
Auf der zweiten Stufe geht es darum, aus einem losen Wunsch einen konkreten Plan mit nächsten Schritten zur persönlichen Leistungsentwicklung inklusive des dafür notwendigen Aufwandes zu machen.
Dieser Plan alleine ist zwar gut, reicht jedoch nicht aus, solange er nur als Vorhaben gesehen wird. Der Schütze muss sich bewusst dafür entscheiden, das benannte Ziel erreichen zu wollen und bereit sein, die dafür notwendigen Schritte konsequent zu gehen. Dies nenne ich den „Inneren Vertrag“.
Stufe 3: Reflektierendes Lernen
Kein Plan ist perfekt, keine Entwicklung ohne unvorhersehbare Einflüsse. Auf dem Weg der persönlichen Leistungsentwicklung ist es daher sinnvoll, sich immer wieder zu fragen: Wohin will ich? Wo stehe ich gerade? Und: Was will ich als nächstes erreichen und was muss ich dafür lernen?
Im KAIZEN, dem Japanischen Weg der kontinuierlichen Verbesserung, gibt es eine Routine (Coaching-KATA), die dieses reflektierende Lernen systematisiert und zugleich die Eigenwahrnehmung sowie die Prognosefähigkeit schult. Dieses Vorgehen machen wir uns in leicht abgewandelter Form zunutze.
Die Reflektion erfolgt bei uns sowohl zeitlich- als auch ereignisorientiert. Das bedeutet, dass jede Schützin und jeder Schütze zum einen regelmäßig ihren oder seinen Leistungsstand am individuellen „Inneren Vertrag“ spiegelt und zum anderen jedes Training und jedes Turnier reflektiert.
Ausgewählte Methoden des Mentaltrainings
Innerhalb dieser drei Stufen setze ich, je nach den individuellen Bedürfnissen der Teilnehmer, unterschiedliche Methoden ein.
Mentales Training von Bewegungsabläufen (Visualisierung)
Das eigentliche mentale Training in der Sportpsychologie ist das wiederholte Sich-Vorstellen eines sportlichen Handlungsablaufes, ohne die Handlung aktiv auszuüben. In dieser Form des „Mentalen Trainings“ wurden Methoden der Verhaltenstherapie, bei welchen Entspannungsübungen mit visuellen, auditiven, olfaktorischen, emotionalen und/oder haptischen Vorstellungen verbunden werden, an die sportpsychologischen Erfordernisse angepasst.
Eine Verbesserung des Bewegungsablaufs in der bewussten intensiven Vorstellung soll eine Verbesserung des späteren tatsächlich ausgeführten Bewegungsablaufs bewirken. Die erzielte Wirkung hängt davon ab, wie lebhaft die Vorstellung gelingt, das heißt, wie gut es gelingt, sich in die Bewegung hineinzuversetzen und die inneren Prozesse nachzuempfinden. Für ein wirksames Training ist ein Wechseln zwischen mentalem Training und dem wirklichen Training wichtig, um die Handlung in der Vorstellung immer wieder mit der ausgeführten wirklichen Handlung abzugleichen.
Training zur Selbstregulierung des Aktivierungsniveaus
Unter der Annahme, dass es für jede Handlung ein optimal passendes psychisches und physisches Erregungsniveau gibt, wird bei diesem Training geübt, die Aktivierung durch Entspannung zu reduzieren oder durch Mobilisierung zu steigern. Da eine Mobilisierung meist viel einfacher als eine Entspannung erreichbar ist und unter Wettbewerbsbedingungen häufiger eine zu hohe Erregung zum Problem werden kann, werden praktisch nur Entspannungstechniken wie Autogenes Training oder Progressive Relaxation geübt. Die Entspannungstechniken sind auch Voraussetzung für das mentale Training von Bewegungsabläufen.
Training der Aufmerksamkeitsregulation
Während sich die Wahrnehmung normalerweise automatisch und unbewusst nach außen oder nach innen richtet und sich mehr oder weniger konzentriert oder verteilt, soll hier geübt werden, die Wahrnehmung bewusst auf die jeweiligen Erfordernisse einzustellen und zu lernen, bewusst zwischen verschiedenen Wahrnehmungsmodi zu wechseln. Die „Konzentration in der Zeit“ hat im Sport eine besondere Bedeutung. Hier soll die Fertigkeit trainiert werden, die Aufmerksamkeit auf die im Moment zu verrichtende Tätigkeit zu konzentrieren, ohne voraus oder zurück zu denken.
Training der Kompetenzerwartung (Prognosetraining)
Diese Trainingsform dient einerseits der realistischen Selbsteinschätzung, andererseits der Stärkung des Bewusstseins der Selbstwirksamkeit. Durch selbst bestimmte konkrete Zielerwartungen (Prognosen) werden beim Training unterschiedliche wettbewerbsähnliche Bedingungen simuliert, mit dem Ziel, das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit, auch unter schwierigen Bedingungen, zu stärken.
Training der Selbstgesprächsregulation (Affirmationen)
Bei dieser Form des Trainings sollen dysfunktionale Kognitionen systematisch durch funktionale Kognitionen ersetzt werden. Unter dysfunktionalen Kognitionen werden hier „Selbstgespräche“ verstanden, welche für das Erreichen eines Zieles hinderlich sind, zum Beispiel Selbstzweifel, Angst vor drohendem Versagen oder Grübeln über die Konsequenzen bzw. das Analysieren von Fehlern. Für das Training funktionaler Kognitionen werden individuell „Selbstgespräche“ erarbeitet, welche wirksam motivierend sind, das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit stärken, die Aufmerksamkeit auf das momentane Handeln und die Zielerreichung lenken und Strategien der Lösungsfindung für spezifische Situationen bereithalten.